Interrobang – To like or not to like (Ein BigData Spiel)

To like or not to like, das ist hier die Frage. In Interrobangs größtenteils audiobasierten Performance geht es um Zuschreibung, Digitalisierung und Kommunikation. Welche Menschen schätzen wir wie ein? Mit welchen würden wir gerne Zeit verbringen, mit welchen nicht? Und woran machen wir das fest?




Bevor es in den Bühnenraum geht, werden von den beiden Performer*innen Till Müller-Klug und Kaja Jakstat Fotos von jedem*jeder Zuschauer*in ein Foto mit Tablets gemacht. Es werden Plätze zugewiesen und sobald es sich die Zuschauenden bequem gemacht haben, schauen sie auf eine Leinwand, auf der kleine Seifenblasen zu sehen sind, in denen sich die zuvor gemachten Fotos wiederfinden. Jedes Gesicht ist also in einer Seifenblase gefangen. Nach und nach trudeln die Zuschauenden in den Bühnenraum ein. Währenddessen wird sich unterhalten, nochmal aufs Handy geschaut und sogar Fotos werden gemacht. Ob letzteres legal ist, bleibt mal außen vor. Neben jedem*jeder Zuschauer*in befindet sich ein freier Stuhl, auf dem ein Telefon platziert ist. Manche probieren es schon aus, die meisten lassen es aber unberührt und beäugen es nur neugierig bis kritisch.

Witzige Situationen wechseln sich mit ernsten Themen ab

Der Raum wird dunkel und auf der Leinwand erscheint die Aufforderung, den Hörer des Telefons abzunehmen. Los geht eine Audioreise durchs Publikum. Fünf verschiedene Gesichter von Zuschauenden werden in einer Reihe angezeigt und per Tastendruck darf das Publikum entscheiden, wer von ihnen am ehesten eine Wohnung bei einer Besichtigung bekommen würde, wer sich am ehesten sinnlos betrinkt oder wer als erstes bei einem Flugzeugabsturz mit Überlebenden gefressen werden würde. Es geht weiter: wo wäre man gerne dabei? Bei einer Femen-Demonstration, beim Jäten eines Gartens, beim Fallschirmspringen oder bei einer IS-Kundgebung? Dabei werden die Situationen durch Bilder auf der Leinwand visualisiert. Witzige Situationen wechseln sich mit ernsten Themen ab und die Frage kommt auf: fehlt da nicht eine Relativierung? Aus diesem Grunde entscheide ich mich bei einigen Fragen, gar nichts zu drücken.



Es folgt eine Sequenz, in der die Zuschauenden miteinander per Telefon verbunden werden und sich über die Fragen austauschen können, ob sich private Daten noch schützen lassen und wie die Digitalisierung den persönlichen Alltag beeinflusst. Zweimal gibt es die Möglichkeit, den*die Gesprächspartner*in zu wechseln, ich bin mit meiner Partnerin jedoch zufrieden, weswegen wir unser Gespräch einfach immer weiter führen.

Performer*innen analysieren das Tastendruckverhalten

Eine knappe Auswertung der beiden Performer*innen auf der Bühne analysiert das Tastendruckverhalten der Zuschauenden und offenbart die Schnelldrücker, die Normalen und die Anormalen. Eine Stigmatisierung, die die bereits zugeschriebenen Eingenschaften teilweise noch verstärkt. Was sagt dieses Verhalten über die Menschen aus? Kann überhaupt etwas ausgesagt werden oder fehlen noch Informationen über die Persönlichkeit und Psyche dieser Menschen?

Ein Programm will mehr über die Menschen erfahren

Diese Frage stellten sich auch Interrobang und schicken die Zuschauenden auf eine weitere Reise, diesmal auf eine individuelle Entdeckungstour durch ihr Inneres. Begleitet werden sie von dem Programm „DelphiFox“, eine maschinelle Stimme, die vorgibt, mehr über den Menschen erfahren zu wollen, um ihn so besser einschätzen zu können und ihm hilfreich sein zu können. Aber ist das wirklich hilfreich? Dass technische Datenspeicherung auch immer Gefahren des Missbrauchs bergen können, ist klar. Aber wie viel möchte man von sich preisgeben, um zwar den bestmöglichen Nutzen der Technik für sich herauszuziehen, gleichzeitig aber nicht aufgrund der herausgegebenen Daten manipuliert zu werden?



Interrobang macht spielerisch auf Vernetzungsmöglichkeiten und -gefahren aufmerksam und wechselt zwischen direktem und digitalem Kontakt. Auffällig bei der Performance ist das anfängliche Zusammenspiel aus visuellen und auditiven Reizen, welche zu klaren Zuschreibungen aufgrund von Äußerlichkeiten führen. Vor allem bei negativen Zuschreibungen besteht hier die Gefahr, die reale und digitale Ebene miteinander zu vermischen. Denn wie hat sich wohl der Mensch beim Verlassen des Theaters gefühlt, der als erstes gefressen werden würde? Durch die Spielhaftigkeit des Stücks und die rasche Abfolge von Humor und Ernsthaftigkeit kann die tatsächliche Reflexion erst im Nachhinein geschehen. Trotzdem hätte ich mir moralische Ecksteine auch schon während des Stücks gewünscht, nicht nur in Bezug auf die Digitalisierung an sich, sondern vor allem in Bezug auf den Umgang der Menschen miteinander. 

Text: Jessica Müller
Fotos: Sophiensaele

Share this:

, , , , , , ,

CONVERSATION

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen