Hohe Lärmpegel, Verwirrung und Beleidigung auf der Bühne



Schaubühne Berlin. Die Beschreibung des Stücks „Toter Hund in der Chemischen Reinigung: Die Starken“ von der spanischen Dramatikerin, Schauspielerin und Performerin Angélica Liddell hat mein Interesse geweckt. So machte ich mich also auf den Weg in die Schaubühne Berlin, bereit, ein Stück über ein dystopisches Science-Fiction-Szenario zu sehen, in dem alle Migranten deportiert und die Sicherheit zum höchsten schützenswerten Gut des Staates ausgerufen wurde. Eine Welt, in der Menschen, paranoid durch die Angst vor Terror, selbst zu Terroristen werden. Eine gescheiterte Gesellschaft, in der die „'schmutzige Wäsche' gesellschaftlich verdrängter Erniedrigungen, Ausgrenzung und Schuld ans Tageslicht kommt“, wie es in der Stückbeschreibung heißt.

-Das Stück ist so konfus und absurd geschrieben-
Leider kommt von diesen elementaren Kerngedanken nicht viel beim Publikum an. Das liegt zum Teil am Theatertext selbst. Das Stück ist so konfus und absurd geschrieben, dass es praktisch komplett unzugänglich für den Zuschauer wirkt. Komplexe Regierungs- und Gesellschaftstheorien à la Jean-Jacques Rousseau werden mit unsinnhaften Passagen im Stile vom Dadaismus vermischt. Die Dialoge reden in neunzig Prozent der Fälle aneinander vorbei, sodass man Schwierigkeiten hat, zu begreifen, worum es überhaupt geht. Und die Handlung des Ganzen ist sowieso Nebensache. Wer ist denn Octavio? Ach, und diese Figur hat auch einen Namen? Wo sind die denn da gerade und worüber sprechen sie? Solche Fragen tauchten mehr als einmal während des Stücks in meinem Kopf auf.



Um so ein schwer zugängliches Stück wirklich darstellbar zu machen, bedarf es deshalb einer guten Inszenierung. Leider ist Liddell auch hierbei gescheitert. Ihre Art, die komplexen Sachverhalte in die Köpfe der Menschen zu pressen, scheint hier das permanente Schreien und viel Bewegung vonseiten der Schauspieler zu sein. Ständig rennt irgendjemand über das Quadrat aus Rasenfläche, das mitten auf der Bühne platziert ist. Auf diesem steht ein rotes Samtsofa und ein Teeservice. Wo man sich in Szenen, in denen diese Requisiten benutzt werden, befindet, ist nie einleuchtend. Nur die riesigen Lettern im Hintergrund auf denen „Chemische Reinigung“ steht, erwecken den Eindruck eines abgeschlossenen Ortes. Diese andauernde Verwirrung und der dauerhaft hohe Lärmpegel der Inszenierung machen es für das Publikum schwierig, sich überhaupt auf das Stück zu konzentrieren, geschweige denn auf den Inhalt oder die Handlung.


-Das Publikum wird aufs Feinste beleidigt-

Dabei betont der Schauspieler Damir Avdic, der den Toten Hund spielt, doch noch, dass „das wahre Schauspielen im Zuschauerraum“ stattfindet. Dies verdeutlicht er an mehreren Stellen, indem er sich direkt an das Publikum wendet und es aufs Feinste beleidigt und demütigt. Interessant wird das Ganze dann aber tatsächlich, als alle Schauspieler frontal auf der Bühne stehen, das Publikum beleuchtet wird und Avdic nun diejenigen dazu auffordert, die sich dieses „Scheißstück“ nicht mehr angucken wollen, zu gehen. Es stehen tatsächlich ein paar Leute auf und gehen. Und noch mehr. Und noch ein paar mehr. Und der Moment zieht sich immer weiter in die Länge, sodass einige Leute bereits ihr Smartphone zücken oder anfangen, sich zu unterhalten. Das Publikum ist offenbar verwirrt und die Verwirrung wird noch größer, als das Ensemble nach dieser Sequenz abgeht und alles verdunkelt wird. Ein wenig verhaltener Applaus, der von verwirrten Gesprächen gefolgt wird, denn das Stück ging ja schließlich noch keine zweieinhalb Stunden wie angekündigt.



Als die Schauspieler nach ein paar sich nach einer Ewigkeit anfühlenden Minuten endlich wieder die Bühne betraten, hoffte ich, dass nun etwas absolut Unerwartetes und Innovatives kommen würde. Denn wozu schließlich dieses ganze peinliche, verwirrende Intermezzo, das ja auch die Schauspieler nicht kalt gelassen haben muss? Zu meiner Enttäuschung ging das Stück ganz genauso weiter wie davor. Auch nach Ende des Stücks bin ich nicht schlauer daraus geworden, sondern spürte eher eine immer größer werdende Ablehnung gegenüber des Stücks in mir.

-Keine Gleichgültigkeit, sondern starke Positionierung-

Ich bin definitiv kein Gegner von Experimenten und neuartigen Versuchen auf der Bühne, ganz im Gegenteil, ich begrüße sogar, wenn jemand den Mut hat, etwas anders zu machen. Wenn anders aber gleichgesetzt wird damit, etwas absichtlich unzugänglich zu machen, im gleichen Zug aber das Publikum miteinzubeziehen, das dem Ganzen ja gar nicht folgen kann, dann ist es kein Wunder, dass große Verwirrung und Ablehnung entsteht. Da aber das Schlimmste, was dem Theater passieren kann, die Gleichgültigkeit ist, hat Liddell mit ihrem Stück zumindest insofern Erfolg erzielt, dass es das Publikum nicht kalt gelassen hat und sich einige Leute doch stark positioniert haben. Dennoch finde ich, dass nicht nur das Thema, sondern auch das Material, mit dem Liddell arbeitet, weitaus mehr Potenzial bieten, als das, was sie mit „Toter Hund in der Chemischen Reinigung: Die Starken“ präsentiert.

Text: Jessica Müller
Fotos: Gianmarco Bresadola

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